Endlich Passat! Atlantik-Überquerung, Teil 2

Nach vollen zwei Wochen mit fetzigen Winden und ruppiger See „erreicht“ uns schließlich doch noch der Passat, der uns mit schönstem Blauwasser-Segeln und herrlichen Sonnenauf- und -untergängen versöhnt.

Endlich Passat, mit 25 Knoten Wind und ruhiger See!
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Wir lesen viel oder relaxen im Cockpit, begleitet von den Geräuschen des Wassers und/oder schöner Musik. Zwischendurch ziehen allerdings immer mal wieder dunkle Squalls über uns hinweg und verstärken den Wind glatt um das Doppelte. Über 30 Knoten Wind werden dem Autopiloten Höchstleistungen abverlangt, die den Stromverbrauch mächtig in die Höhe treiben. Dann greift der Käpt´n schon mal zur Handsteuerung und sorgt für saubere Geradeaus-Fahrt, immer „platt vorm Laken“.

Wenn der Autopilot an seine Grenzen stößt, muss der Käpt´n ran …

Der Wind weht nun weitgehend konstant aus Ost, mal etwas südlicher, meist aber etwas nördlicher ausgerichtet. Die Genua ist schon seit Tagen auf Backbord ausgebaumt und bei unserem Westkurs ist es kein Problem, die leicht schwankenden Windrichtungen auszugleichen. Der zunehmende Mond ist nun unser ständiger Begleiter, nachdem wir zuvor viele stockdunkle Nächte überstanden haben. Wenn er genau vor uns untergegangen ist, erleben wir einen phantastischen Sternenhimmel, mit dem großen Wagen zur Rechten und dem Kreuz des Südens zur Linken, beide Sternbilder genau gegenüber.  

Stockdunkle Nacht, hier aber mit Decksbeleuchtung!

Nachts ist es immer noch verhältnismäßig kalt und die Nachtwachen verbringen wir überwiegend unter Deck. Die Einteilung erfolgt ohne starres System nach Bedarf. Alle halbe Stunde lässt sich der Wachgänger vom Timer an seine/ihre Wache „erinnern“ und macht dann seinen Ausguck. Der Weg ins (nächtlich-dunkle) Cockpit ist allerdings nur mit Rettungsweste und angeschnallt „erlaubt“. Das haben wir uns gegenseitig versprochen. Denn eins ist uns klar: Wenn einer über Bord gehen sollte, sind die Chancen ihn/sie wieder ins Schiff rein zu bekommen minimal. 

Ausgerechnet nachts kreuzen mehrmals Frachter unseren Weg, vor allem gegen Ende, als wir gar nicht mehr damit gerechnet haben. Zweimal sind Kollisionskurse dabei, mit beängstigend dichten Begegnungen, einmal mit einer berechneten Annäherung von 26 Fuß (etwa 8 Meter). Da wir nun endlich über ein aktives AIS (Automatic Indication System) verfügen, können wir der Begegnung viele gelassener entgegen sehen als früher.

Die Frachter ändern von selbst ihrem Kurs und passieren uns in Sichtweite von einer bis vier Seemeilen Abstand. Allerdings fragen wir zur Absicherung meistens noch über Funk an, ob sie uns gesehen haben, lassen es später dann aber zunehmend sein, es sei denn, es ist uns nach einem kleinen Schwätzchen, in dem wir dann gerne auch mal nach einem aktuellen Wetterbericht fragen.

Die dritte Begegnung in Sichtweite …

Dieser ist mehr zur Absicherung und Ergänzung zu der von unserem Wetterfrosch Matthias täglich über Satellit empfangenen Kursempfehlung, die durchgängig immer korrekt war, bis hin zur Flautenvorhersage und die Empfehlung, dieses Gebiet mit Motor zu durchfahren.

Mit unseren Vorräten kommen wir erstaunlich gut zurecht. Es gibt fast täglich warme Mahlzeiten, die wir öfters in den wenigen halbwegs ruhigen Stunden  vorkochen. Das Obst geht allerdings gegen Ende zunehmend zur Neige, aber wir haben am letzten Tag immerhin noch genau einen Apfel für unser morgendliches Müsli.

… unser letztes Obst hält fast drei Wochen!

Insgesamt essen wir aber wesentlich weniger als an Land und die von La Palma mitgebrachten „Speckröllchen“ am Bauch verschwinden zusehends. Unterm Strich haben wir (bis auf Obst) eindeutig zu viel eingekauft, zumal wir nicht wussten, dass wir uns mit zwei Mahlzeiten pro Tag begnügen.

Während sich die ersten Tage endlos lange hinzogen und wir das Gefühl hatten, kaum von der Stelle zu kommen, war es zum Schluss genau anders herum. Die Zeit verging auf einmal wie im Fluge, zumal die letzten drei Tage die schönsten der Überquerung waren.

Genau so hätten wir uns die übrige Zeit auch gewünscht, mit reinstem Blauwassersegeln, vielen magischen Momenten, wenn das Boot bei geringem Seegang durch Wasser gleitet, mit unvergesslichen Säuseln, Fischfang und Musik im Cockpit.

… Mahi Mahi: unsere Mahlzeit für vier Tage!

Das alles war vorher nicht „zu haben“, zumal wir aus Sicherheitsgründen allzu häufig unter Deck waren und nur unsere geniales Deckhaus verhinderte, dass wir uns wie im Gefängnis fühlten. Fast unglaublich, aber wahr: auf die erste Cockpit-Dusche mussten wir volle zwei Wochen warten. Immerhin erhält unsere Atlantik-Überquerung nun ein versöhnliches Ende und wir erleben unserer Landfall nicht voller Erschöpfung. 

Als es nur noch 20 Seemeilen bis zur Antigua sind, können wir die Insel immer noch nicht sehen, genauso wenig wie die naheliegenden Inseln Guadeloupe und Montserrat. Erst 10 Meilen vorher zeigt sich die relativ flache Insel und bald liegt die berühmte Bucht „English Harbour“ querab.

Kaum ist Antigua in Sicht setzen wir die Flagge Gelb, die unsere Einreise signalisiert

Wir segeln jedoch (erstmal) vorbei, weil das Einklarieren dort dreimal so teuer sein soll wie anderswo. Und so steuern wir zunächst Jolly Harbour an der Westküste an, wo wir neben dem Fahrwasser auf nur drei Metern Wassertiefe (im trüben Wasser) ankern, begleitet von anhaltenden Tiefwasseralarm  unseres Echolotes… 

Die Ansteuerung von Jolly Harbour

22 Tage und 2600 Seemeilen liegen hinter uns, seitdem wir La Plama verlassen haben. Auf der Direktroute sind wir wesentlich nördlicher gesegelt als üblich und haben dadurch etwa 200 Seemeilen „eingespart“. Der Wind kam dennoch durchgehend aus der richtigen Richtung und der Motor lief nur ganz am Anfang und einmal während eines Flautentages, ansonsten nur zur Ladung der Batterien, nachdem der Generator ausgefallen war. 

Anderhalb Flautentage waren auch dabei …!

Nun angekommen, sind wir mächtig gespannt, wie sich die ersten Schritte an Land anfühlen werden. Doch zur Erledigung der Einreiseformalitäten darf erstmal nur der Käpt´n an Land. Immerhin haben wir Hilfe, denn unsere Freunde Andrea und Ingo von der EASY ONE sind als Begrüßungskomitee zur Stelle und zeigen uns wie es geht.

Das Immigration-Office ist in einer kleinen Holzhütte mit Dingh-Dock untergebracht. Nachdem der Käpt´n am Online-Terminal ein Konto eingerichtet hat, müssen online mehrere Seiten mit Daten zu Crew und Schiff ausgefüllt werden. Schiffspapiere und Pässe werden vorgelegt, dann wird der ganze Papierberg ausgedruckt, gestempelt und unterschrieben und weiter geht es zu den nebeneinander liegenden Ämtern Customs und Immigration, wo der Käpt´n die Pässe mit dem obligatorischen Einreise-Stempel mit der erlaubten Aufenthaltsdauer zurück bekommt.

Der Vorgang kostet 40 Easter Caribbean Dollars (EC), umgerechnet etwa16 Euro und berechtigt zu einem Aufenthalt von drei Monaten im Inselreich von Antigua und Barbuda, dem „Land of Sea and Sun“.

Ist das nicht eine schöne Nationale?

Nach nur einem Ankertag vor Jolly Harbour segeln wir zur zurück nach English Harbour und lassen den Anker nach einer ausgiebigen Hafenrundfahrt in der vorgelagerten Freeman´s Bay fallen.

Beste Versorgung im Hot Spot Cafe, inkl. perfektem Internet-Zugang

Wir sind am Ziel, fühlen uns aber noch nicht richtig angekommen, zumal Anett nach mittlerweile 24 Tagen noch immer keinen Fuß an Land gesetzt hat. Beide fühlen wir uns etwas “wobbly“ und schwanken zwischen Erschöpfung, Glückgsgefühl und einer milden post-transatlantischen Depression hin und her. Daher werden wir etwas Zeit brauchen, um uns einzugewöhnen. Und Antigua scheint uns dazu genau der richtige Ort zu sein….