Passage von den Azoren nach Madeira

Es wäre übertrieben zu behaupten, dass die beiden letzten Langfahrt-Passagen schön gewesen sind …, die von Mexiko nach Bermuda und die von Bermuda zu den Azoren. Der daran erfreuliche Segelanteil lag bei beiden gerade mal bei mageren 20 Prozent.

Sonnenschein und Vollzeug gibts viel zu selten!

Jetzt steht die Langfahrt erneut auf dem „Prüfstand“ und wir versuchen die Frage, was an Segel-Langfahrt eigentlich schön ist, erneut zu beantworten. Ohne Zweifel ist es das Ankommen und die Möglichkeiten zum Erkunden neuer Destinationen, aber was ist mit dem Rest, der eigentlichen Passage? Wie sieht es aus mit der viel beschworenen Magie des Segelns oder ist die Passage etwa nur ein notwendiges Übel?

Vor uns liegt diesmal die Überfahrt von den Azoren nach Madeira, diese allerdings nur 500 Seemeilen lang und am Ende sollten wir eine Antwort auf die Frage haben …!

Rolling Home..

Der Auftakt bei schönstem Wetter verheißt Gutes, ebenso wie der Wetterbericht, so dass sich mit uns noch zwei andere Yachten auf den Weg machen …

Wir verlassen Santa Maria, wo Annamera mal wieder ein bisschen verschnaufen konnte …

Punkt 13:00 Uhr erlassen wir den Hafen von Vila do Porto auf Santa Maria, setzen sogleich Segel und stecken unseren Kurs auf Madeira ab: 123 Grad. Eine angenehme Brise verschafft Annanera eine Bootsgeschwindigkeit von 4 bis 5 Knoten, etwas weniger als erwartet. Doch bei wenig Seegang freuen wir uns über die ersten Segelstunden seit Wochen! 

Wenig Wind am Anfang und viel Faulenzerei!

Leider ist damit am frühen Abend bereits Schluss, denn der Wind legt sich zur Ruhe wie der Tag. Nachdem wir eine Weile dem Schauspiel der hin und her schlagenden Segel zugeschaut haben, gehen wir in Motorfahrt über, und das gleich bis zum nächsten Frühstück: 13 nervige Stunden, auf die wir gerne verzichtet hätten!

Eine nervige Nacht ist überstanden und die Segel „stehen“ wieder, doch wir sind hundemüde!

Doch dann meldet sich der Wind zurück und verschafft uns zum Ausgleich einen herrlichen Segeltag.

Der Seegang ist immer noch moderat und wir wagen mal wieder einen Angelversuch. Diesmal sind es keine Portugiesischen Galeeren oder Seegrasfelder, die für unsere anhaltenden Misserfolge verantwortlich gemacht werden können. Es beißt einfach kein Fisch an. Gut, dass wir vorgesorgt und an der Frischetheke im Supermarkt leckere Kalamari eingekauft haben, die wir uns abends schmecken lassen, während sich der Tag hinter uns mit einem dramatischen Sonnenuntergang verabschiedet.

Da wir sind uns nicht sicher sind, was das erwarten lässt, verkleinern wir vorsichtshalber die Segelfläche bevor es dunkel wird. Eine gute Entscheidung, denn während der Käpt´n seine Freiwache verschnarcht, legt der Wind kontinuierlich zu und bleibt dann bei 30 Knoten plus „stehen“. Starkwind von achtern und seitliche Wellen mag Annamera nicht so gerne und revanchiert sich mit Rauschefahrt und unangenehmer Geigerei.

Wir segeln fast ausschließlich mit Autopilot ….,

Die hydraulische Selbsteueranlage ist unter diesen Bedingungen schnell am Limit. Wir freuen uns zwar über 7 Knoten Fahrt, müssen aber mehr Ruhe in die Schiffsbewegungen bekommen, um den Autopiloten zu entlasten. Dafür reffen wir jetzt auch noch die Fock und lassen den Motor mit niedrigen Drehzahlen mitlaufen. Das hilft! Während Wind und Seegang weiter zunehmen, meistert der Autopilot nun fehlerfrei seine Aufgaben und wir können uns wieder auf unsere (knapp) halbstündigen Ausgucke beschränken. 

… doch wenn der am Limit ist, muss der Käpt´n ran oder die Segelfläche verkleinert werden!

Dennoch ist die Nacht sehr anstrengend und wir sind am Morgen beide hundemüde. Als sich zum Frühstück der Wind bei 25 Knoten einpendelt, können wir den Motor ausschalten. Bei schönstem Sonnenschein kommen wir – trotz fast maximaler Reffs – hervorragend voran und haben mittags schon ein halbes Etmal von 75 Seemeilen auf der Logge. Das lässt auf ein gutes Tagespensum hoffen. Frohgemut bereiten wir eine Pilzpfanne Stroganoff und genießen ein leckeres Mahl. Obwohl der Wind im Laufe des Tages weiter nachlässt, haben wir am Ende des Tages tatsächlich ein Rekord verdächtiges Etmal von knapp 150 Seemeilen auf der Logge.

Wir können uns jetzt nicht mehr beklagen: abnehmender Seegang, tagsüber Sonnenschein, nachts Halbmond und die ganze Zeit der Wind, den man sich wünscht. So angenehm waren wir schon lange nicht mehr unterwegs…. Hinzu kommt, dass wir schneller sind, als erwartet. Nach 72 Stunden liegen bereits 400 Seemeilen hinter uns und wir müssen langsamer werden, damit wir nicht in den Nachtstunden ankommen. 

Da kommt es uns ausnahmsweise gelegen, dass der Wind weiter nachlässt und 50 Meilen vor dem Ziel ganz einschläft. Es ist Mitternacht, als wir den Motor starten und die Segel bergen.

Mit langsamer Motorfahrt gleiten wir bei spiegelglattem Wasser und Halbmond durch die Nacht. Nur das Motorengeräusch trübt den Genuss einer phantastischen Nacht, während voraus das Leuchtfeuer von Madeira Ost uns mit seiner charakteristischen Kennung (FL 20/3) den Weg weist. Als wir um 7 Uhr den Leuchtturm querab haben, fängt es gerade an zu dämmern. 

Am Ende der Nacht ist es richtig kalt und Madeira zum Greifen nahe..
Madeiras Südküste mit einzigartige Kulturlandschaft

Durch die Flaute und die Motorfahrt können wir das Timing für den Landfall so planen, dass wir die letzten 20 Seemeilen bis zum Ziel Funchal bei aufgehender Sonnen zurücklegen und die spektakuläre Küste in dichtem Abstand passieren können: ein Wahnsinnserlebnis. Am Ende haben wir trotz stundenlanger Bummelei die Knapp 500-Meilen-Distanz in 3 Tagen und 22 Stunden geschafft.

Die Südküste kurz vor Funchal

Erstaunlich ist, dass die Einreiseprozedur, obwohl von den Azoren (aus dem gleichen Land) kommend immer noch einigen (Corona)-Restriktionen unterliegt. Deshalb haben wir uns weit voraus schauend in der Marina angemeldet und werden nach nur einstündiger Wartezeit zu unserem Liegeplatz geleitet, ohne das sonst übliche obligatorische Ankern vor dem Hafen. Die Liegeplätze sind rar und nicht ganz billig und man hört immer wieder von Schwierigkeiten bei der Einreise in die Marina Funchal. Außerdem soll der Liegeplatz sehr rollig sein. 

Die Hafeneinfahrt von Funchal

Wir erleben allerdings nichts dergleichen, müssen aber noch volle 24 Stunden an Bord bleiben und in der Zeit mehrmals unsere Impfzertifikate und andere Dokumente per WhatsApp (!) übermitteln! Das „gelobte Land“ liegt zum Greifen nahe, doch wir dürfen es noch nicht betreten. 

Wir sind drin, müssen aber noch 24 Stunden warten bis zum ersten Landgang

Zu unserer Eingangsfrage gibt es diesmal eine einfache Antwort: Langfahrt kann sehr schön sein, man muss allerdings Glück haben und eine gute Wetterprognose ist keine Garantie. Im Gegensatz zu den letzten drei Ozean-Passagen mit insgesamt 6500 Seemeilen hatten wir diesmal das GLÜCK auf unserer Seite.

Bis auf den einen recht rauen Tag lief alles wunschgemäß und völlig anders als bei dem gleichen Törn vor zwei Jahren, der als ganz üble Reise in Erinnerung bleibt. Durch den Klimawandel sind keine verlässlichen Prognosen mehr möglich. Unsere Erfahrung ist eindeutig: es kommt meistens ganz anders als erwartet und es wird wohl dabei bleiben, dass man sich bei langen Ozean-Passagen mit einer vergleichsweise geringen „Quality-Time“ zufrieden geben muss!