Mit herzlicher Verabschiedung unserer Segelfreunde verlassen wir Tazacorte um 11.30 zur Atlantik-Überquerung in die Karibik. Bei wolkenlosem Himmel ohne eine Hauch von Wind laufen wir zunächst unter Maschine einen Kurs von 210 Grad und melden uns für die nächsten drei Wochen bei Freunden und Familie über unseren Blog und Facebook ab. Die Motorfahrt kommt uns im Moment eigentlich ganz gelegen, denn letzte Aufräum-Aktionen, Mann-Über-Bord-Manöver und Notfall-Szenarien halten uns erstmal auf Trab.

Die Wetterfenster für die nächsten Tage sehen gut aus und wir rechnen mit einem moderaten Einstieg nach monatelanger Segelabstinenz. Als am Nachmittag der gewünschte Wind aufkommt, probieren wir uns sogleich mit dem Ausbaumen der Genua. Dazu setzen wir auf unserem schaukeligen Vorschiff den Spinakker-Baum, ein Manöver, das wir im Hafen zwar mehrfach geübt haben, nun aber erstmals einem Praxistest unterziehen…


Bis auf den Umstand, dass wir anfangs alle möglichen Leinen verwechseln, eigentlich ein guter Auftakt, der jedoch nicht lange währt, denn Kurskorrekturen nach Winddrehern veranlassen uns schon bald zum Wiedereinholen des Spibaumes und zu mehrmaligen Segelwechseln in kurzer Folge: So haben wir uns das eigentlich nicht vorgestellt …! Mit relativ viel Wind und einer ruppigeren See als erwartet durchfahren wir am nächsten Morgen die 100-Meilen-Marke und haben dabei Hierro kaum hinter uns gelassen.

Der Wind sieht mittlerweile zuverlässiger aus und wir machen uns erneut ans Ausbaumen der Genau. Doch oh Schreck! Die Befestigung des fetten Ring-Beschlages am Spibaum-Schlitten ist stark verbogen und hängt nur noch am seidenen Faden.

Glück im Unglück, dass wir dies bei Tageslicht entdeckt haben, denn sonst wäre schon bald der Spibaum vom Mast abgerissen und hätte schon zu Anfang ein Desaster bewirken können. Mit Hammer und Axt richten wir den Bolzen und drehen ihn anschließend mit maximaler Kraftanstrengung wieder ins Gewinde rein. Während dieser Zeit läuft das Schiff ohne einen Tuch Segel und macht trotzdem 3 Knoten Fahrt, also würden wir auch ohne Segel in etwa 40 Tagen die Karibik erreichen …!

Da wir es aber doch gerne etwas schneller hätten, wagen wir einen erneuten Versuch mit dem Ausbaumen der Genua – und es funktioniert. Der Wind weht jetzt beständig moderat aus Nordost und bringt uns gut voran. An die Bordroutine haben wir uns schon bald gewöhnt und alles könnte so schön sein, wenn da nicht – die Calima-Wetterlage wäre, die bei extrem diesigem Himmel und afrikanischem Wüstenwind jede Menge Dreck aus der Sahara über unser Schiff verteilt. Unsere Solarpaneele bekommen nicht genug Sonne und der Folge muss der Generator zweimal am Tag die Energiereserven auffüllen.

Die Tage verlaufen im wesentlichen nach einem gleichen Schema, das sich maßgeblich um die Mahlzeiten und die Generator-Laufzeiten gruppiert. Ansonsten beschäftigt sich jeder auf seine Weise, mit Lesen, Sprache lernen, Film-Script und -schnitt und viel Schlafen. Eben dem schlechten Wetter findet fast alles unter Deck statt und wir sind heilfroh über unseren Decksalon, der immer den Blick nach draußen ermöglicht. Nachts machen wir oft sogar das Steckschott dicht. Im Cockpit ist es einfach zu ungemütlich und der Wachhabende macht lieber alle halbe Stunde mal einen gründlichen Rundumblick, um außer den Sternen nichts zu sehen.

Der Mond schlägt uns nämlich auch ein Schnäppchen. Anfangs geht er erst gegen 3 Uhr auf, aber nur als abnehmende, schwache Mondsichel. Drei Tage geht er sogar so spät auf, dass wir ihn gar nicht zu Gesicht bekommen und die nächsten drei Tage ist Neumond! Toll! Doch danach wird es auch nicht besser, denn die zunehmende Sichel geht anfangs bereits um 20.00 Uhr wieder unter und das jeden Tag eine Stunde später. Mit anderen Worten, wir bekommen vom Mond nicht viel zu sehen …

Matthias von der SHUENGA liefert uns täglich Wetter-Nachrichten über unseren Satelliten-Router. Nachmittags geben wir ihm Position, Kurs und Geschwindigkeit durch und erhalten bald darauf seine Routenempfehlung. Um einem Flautengebiet auszuweichen, halten wir uns westlicher als geplant und es funktioniert. Doch Unheil naht in Form eines ausgedehnten Tiedruckgebietes nordwestlich der Kapverdischen Inseln. Winde über 30 Knoten und Wellen bis über 4 Meter Höhe sind zu erwarten. Wir wappnen uns durch Erproben der Reff-Möglichkeiten – unter Beibehaltung des Spibaumes – und durch Vorkochen von Mahlzeiten.

Die Tage 6 bis 9 werden tatsächlich heftig. Mit einem winzigen Tuch Segel rauschen wir durch schummrige Tage und stockdunkle Nächte. Die Wellen werden höher und steiler und steigen auch schon mal ins Cockpit ein. Wir müssen die Luken schließen und fühlen uns manchmal wie im Knast. Die Nächte sind am schlimmsten, mit noch mehr Wind und wilder Schaukelei. Doch der Autopilot steuert uns zuverlässig durch alle Widernisse, führt uns aber manchmal auch in wilde Schlingerfahrt und legt uns dabei bedenklich weit auf die Seite. Liegen und Schlafen sind dabei fast unmöglich. Die Steuerverantwortung an den Autopiloten abgegeben und alle Luken dicht, beobachten wir das Geschehen aus dem kuscheligen Salon und halten es am besten auf dem Salonsofa aus.


Von Matthias kommt die Devise „Durchhalten“. Doch das ist leichter gesagt als getan. Mit „freundlichem“ Passatsegeln hat unsere bisherige Überfahrt jedenfalls nicht viel zu tun. Überhaupt: Passat! Bis auf die Windrichtung passt eigentlich gar nichts. Während andere Segler von einer Überquerung …“voller Schönheit“ berichten, warten wir noch auf das blaue Wunder: das Blauwassersegeln!
Am zehnten Tag scheint dann aber doch das schlimmste überstanden zu sein und wir nähern uns der Halbzeit, dem „Mittelstand“, dem Bergfest. Wind und Welle haben sich beruhigt, doch geblieben ist die Schaukelei – jetzt vielleicht sogar noch stärker als zuvor.
Der zehnte Tag beschert uns dann erstmals feines Passatsegeln und wir kommen gut voran. Doch schon am Morgen des nächsten Tages schwächelt der Wind und wir erleben unser Bergfest um 08:00 Uhr UTC auf Position 19°26´N 039°20´W mit wilder Schaukelei, so dass uns nicht zum Feiern zumute ist.

Statt dessen verschicken wir an Familie und Segelfreunde Textnachrichten mit der freudigen Botschaft. Dafür befestigen wir unseren Iridium-Router oben auf unserem neuen Bordkran und kaum ist die Antenne ausgeklappt, kann es losgehen. Mittels einer App loggen wir uns in das Iridium-Netz ein und können unsere Textnachrichten schreiben, versenden und empfangen, in minutenschnelle über Satelit und einfach genial: unsere Nabelschnur zur Außenwelt und ein auch wichtiges Sicherheitstool!
Tazacorte liegt jetzt 1361 gesegelte Seemeilen (Luftlinie 1300) hinter uns und Antigua eben so viele Seemeilen voraus. Wir hoffen, dass Poseidon beim Wind noch ein bisschen nachbessert und uns ab jetzt bessere Etmale beschert…

Bisher haben wir nur ein einziges Schiff gesehen, die Bulk Peninsula, Ein anderes ist außer Sichtweite an uns vorbei gezogen. Mit beiden Schiffen haben wir über Funkt Kontakt aufgenommen und den Wetterbericht eingeholt. Jetzt passieren wir den Dampfertrek New York – Kapstadt und es müsste eigentlich von Schiffen nur so wimmeln, doch Fehlanzeige; auch das AIS zeigt kein einziges Schiff ….
Doch auch vom vielbeschworenen Blauwassersegeln ist bisher nichts zu sehen gewesen. Wir hoffen nun, dass wenigstens die zweite Hälfte besser wird und uns versöhnt. Immerhin bringen die folgenden Tage 12 und 13 erste Ansätze von Blauwassersegeln, jedoch mit Unterbrechungen, aber immerhin mit schönen Sonnenauf- und -untergängen.

Doch der Wind ist teilweise so stark, dass der Käpn erstmals zur Handsteuerung greifen muss. Die Schaukelei ist ausgesprochen unangenehm und wir beide haben uns von der Rumpelei schon blaue Flecken geholt….
Weiter gehts mit Teil 2!
Mensch, was für ein Abenteuer…
Ich freue mich schon auf die Fortsetzung.
Aber zuerst einmal gute Erholung….
Liebe Grüße von Juliane (und Peter natürlich)
Liebe Juliane, lieber Peter, endlich haben wir wieder Internet und soeben den zweiten Teil zu unserer Überquerung hochgeladen. Hier ist es gerade (auch) nicht ganz einfach – Corona bedingt. Wir sind auf Martinique und fühlen uns ein bisschen „gefangen“, weil die Nachbarinseln dicht machen… Liebe Grüße von Anett und peter
Liebe Anett, lieber Peter
Zuerst mal herzliche Glückwünsche zur Atlantiküberquerung, die Ihr beide offenbar doch zu zweit unternommen habt und auch ordentlich und mit dem Selbstlösen von kleineren Problemen bewältigen konntet. Ja, so sollte es auch sein, Probleme sind dazu da, dass man sie löst.
Dass wir uns nicht schon beim Erhalt der Vollzugsmeldung gemeldet hatten, liegt daran, dass wir auf Tenerife schon durch Corona und den schlimmsten Calima seit 50 Jahren zu kämpfen hatten. Zum Glück saßen wir nicht im Hotel fest wie einige hundert deutsche Touristen in Ardeje, dafür hatten wir unmittelbar am Rande unseres Hotels in Santa Ursula ein heftiges Feuer, versucht durch leichtsinniges Abbrennen von trockenem Gartenmüll in einem Ort etwas oberhalb. Die Insel litt schon monatelang über Trockenheit, der Calima-Sturmwind hat die Glut über die Autobahn rüber geweht, der eng neben dem Hotel und eine Häuserzeile gegenüber brannte lichterloh. Die Feuerwehr und die Behörden haben die Evakuierung der Hotelgäste angeordnet. Damit wir nicht auch in einer Sporthalle auf Feldbetten übernachten mussten, hat uns Heinz Schneider vom TO-Stützpunkt in einem Haus in San Andres untergebracht. Jetzt sitzen wir hier in unserem Haus fest, wie fast überall in Europa, soll man sein Haus nicht verlassen, damit die Corona sich nicht weiter ausbreitet.
Zu Eurer Reisebeschreibung:
Wir haben uns gefreut über Eure Erlebnisse zu lesen, die Ihr auch sehr lebendig und nett beschrieben
habt. Der Atlantik Übersegler mit Eurer Kurslinie ist wohl von der früheren Atlantikreise, nicht wahr?
Ich glaube, mit der etwas südlicheren Route wart Ihr damals besser beraten, um den Passat richtig voll zu bekommen, hält man sich besser südlich. Damals ging der Spruch um: Südlich bis die Butter schmilzt, dann rechts abbiegen und vor Euch tauchen die Karibischen Inseln auf.
Genießt Eure Zeit in der Karibik und schreibt weiterhin Eure schönen Berichte.
Liebe Grüße von Holger und auch von Christa