Spannende Überfahrt nach Flores, dem westlichsten Punkt Europas

Nach der Abreise von Aliki und Martin genehmigen wir uns einen Hafentag auf Terceira, machen einen „kleinen“ Großeinkauf und fahren schon am nächsten Tag zurück nach Graciosa: fünfzig Seemeilen, die wir leider mangels Wind vollständig unter Motor zurück legen müssen. Eine längere Wartezeit wäre zwar denkbar gewesen, aber da Graciosa nur eine Zwischenstation zur weit draußen im Atlantik liegenden Insel Flores ist, setzt der Wetterbericht den Schwerpunkt und der liegt eindeutig auf dem 150-Meilen-Segment nach Flores. 

Der kleine Hafen von Graciosa fasst ziemlich genau fünf Yachten und eine davon ist die „Anyway“ mit unseren Freunden Sandra und Berthold. Den Tag verbringen wir mit Wartungsarbeiten, Baden und einem netten Abend mit Sandra und Berthold.

Praia do Graciosa mit Strand und Caldeira

Es ist noch nicht hell als wir am nächsten Morgen um Punkt sechs Uhr aus dem Hafen herausschleichen. Der Wind lässt nicht lange auf sich warten und dann sind wir hoch am Wind mit reichlich Schräglage auf Kurs West zum 150-Meilen entfernten Flores, dem westlichsten Außenposten Europas und genau auf halber Strecke zwischen Portugal und Neufundland gelegen. 

Unterwegs haben wir genug zu tun. Der Am-Wind-Kurs von 40 Grad ist nicht gerade komfortabel und Wind und Schräglage zwingen zwischendurch immer mal wieder zum Ein-oder Ausreffen. Außerdem haben wir mit zwei großen Frachtern akuten Kollisionskurs, den unser AIS-System bei gleichmäßig fortgesetzter Fahrt in beiden Fällen in einem beängstigen Abstand von unter 50 Metern anzeigt. Über Funk sorgen wir für Klarheit und verständigen uns mit den „Kollegen“, die nach einer „Schrecksekunde“ behaupten, uns gesehen zu haben und danach sogleich ihr Ausweichmanöver einleiten. Beiden waren sehr nett, aber wir sind überzeugt, dass sie uns erst nach unserem Anruf „gesucht“ und gefunden haben, sonst wären sie bestimmt schon früher ausgewichen. 

Bis kurz vor Sonnenuntergang gegen 22.00 Uhr bleibt alles beim Alten. Dann schreckt uns ein plätscherndes Geräusch unter den Bodenbrettern auf und wir erleben den Albtraum aller Seefahrer: Wassereinbruch! Der ist zwar halb so schlimm, aber dennoch unangenehm, weil das Wasser reichlich hochgespritzt ist. Die Ursache ist eine still gelegte Lenzpumpe, die durch unsere anhaltende Schräglage durch den unter Wasser liegenden Auslass Wasser angesaugt hat. Als wir gegen Mitternacht endlich mit dem stressigem Abdichten und Absaugen fertig sind, hat der Wind vollständig auf West gedreht und wir fühlen uns zur Motorfahrt genötigt. Ein herrlicher Vollmond tröstet ein wenig. Mit eingeholter Genua können wir nun voll auf unser Ziel Flores zuhalten, dass immer noch 65 Seemeilen entfernt ist.

Sonnenaufgang mitten auf dem Atlantik

Beim Sonnenaufgang gegen 7.00 Uhr sind es noch 30, aber von Flores ist noch nichts zu sehen und das, obwohl die Insel fast tausend Meter hoch ist. Erst um 8.30 Uhr schält die Insel sich langsam aus dem Dunst. Obwohl wir uns die Wachen geteilt haben, sind wir beide ziemlich müde und die letzten Meilen ziehen sich wieder endlos dahin. Dafür werden wir zum Schluss werden wir von einer grünen Inselperle und einem Wasserfall empfangen.

Der Hafen von Flores

Nun stellt nur noch die Hafeneinfahrt eine Herausforderung dar, denn mittendrin steckt eine in keiner Karte vermerkte Stange, die die Einfahrt auf ca. 6 Meter verengt. Unser (empfohlenes) rückwärtiges Einlaufen vereinfacht die Sache auch nicht gerade. Aber alles geht gut und wir werden von unseren „SHUENGA“-Freunden Stefanie und Matthias bereits erwartet und an unseren Liegeplatz geleitet. Die Begrüßungsparty findet dann auf SHUENGA statt. Ansonsten passiert nicht mehr viel: Ausruhen, Kaffee und Kuchen in der Hafenbar und eine kleine Erkundungsrunde durch den Ort, der sich ziemlich steil den Hang hoch zieht und wo gerade das größte, mehrtägige Festival des Jahres statt findet. Dieses beschert uns ein echtes Handikap, denn es fahren tagelang keine Busse und Mietwagen sind auch nicht verfügbar …..

Blumen satt…

Daher versuchen wir es mit Trampen und haben auch auf Anhieb Glück, kommen aber nicht sehr weit und gehen dann erst mal zu Fuß weiter. Die Hauptstraße nach Faja Grande wird von unzähligen Hortensien gesäumt, aber über 20 Autos fahren an uns vorbei ohne anzuhalten. Dafür haben wir dann umso mehr Glück: Fabio, ein junger Vater ist mit seinem Sohn Martin auf Spaßtour unterwegs und hält mit seinem coolen Truck an. Er lebt auf der Insel, hat Urlaub und Zeit und fährt mit uns zu den schönsten Plätzen. Wir fühlen uns wie Kreuzfahrer, die eine Inseltour gebucht haben. Wie im Film zieht die Insel an uns vorbei, an bizarren Steilwänden, Wasserfällen und tollen Ausblicken. Und das Beste: Fabio bringt uns am Ende zum Schiff zurück und will mit uns anderntags eine Wanderung zum Insel-Highlight machen: zu den Wasserfällen von Poca do Bacalhau …