1000 Seemeilen von Bonaire nach Kuba

Nach schönem Abschied und Auftanken machen wir Annamera an der Tankstelle seeklar und werfen zwei Stunde später die Leinen los, mit Ziel Santiago de Cuba. Dicht unter Land nach Westen segelnd genießen wir ein letztes Mal die Schokoladenseite von Bonaire, bei perfektem Wetter – dem besten in den ganzen fünf Monaten Aufenthalt dort …!

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Aufbruch in Bonaire

Noch soeben im Empfangsbereich der Telekommunikations-Signale, erreicht uns eine Botschaft von einer Freundin, die ein paar Tage zuvor in Santiago de Cuba eingetroffen ist. Wegen enormer Luftverschmutzung und sehr langsamer Abwicklung des PCR-Tests empfiehlt sie einen anderen Zielhafen und zwar Cienfuegos, über 300 Seemeilen weiter westlich auf Kuba gelegen. Nach einigen Überlegungen und nochmaliger Rückfrage entscheiden wir uns für die Ziel-Änderung. Damit wird aus einer Mittelstrecke von 650 Seemeilen unversehens eine Langstrecke von knapp 1000 Meilen und eine Reiseverlängerung von ca. drei Tagen. 

Doch Cienfuegos soll eine der schönsten Städte Kubas und ist bestimmt – als Weltkulturerbe – ein sehr interessantes Ziel. Es liegt genau zehn Breitengrade weiter nördlich als Bonaire (fast exakt 1000 Kilometer) und wir fragen uns, wie sich das im karibschen „Winter“ auf die Temperaturen auswirken wird. Da wir auf Bonaire unter der andauernden Hitze ziemlich gelitten haben, würden wir uns über eine Temperatursenkung durchaus freuen.

Jedenfalls sind wir mit unserer Entscheidung sehr im Reinen und genießen anfangs auch herrliches Segeln – wie auf einem Binnensee – bis wir gegen 14:00 Uhr aus der Landabdeckung raus kommen, wo ruppiger Seegang von Steuerbord einen Vorgeschmack auf die Passage abgibt, die vor uns liegt. Wir stecken einen Kurs von 315 Grad ab, auf die winzige amerikanische Insel Navassa zu, westlich vor Haiti liegend. Das Speedometer schwankt zwischen 6 und 7 Knoten und wir kommen gut voran. Der schönste Sonnenuntergang seit Monaten läutet die erste Nacht ein, mit sternenklarem, mondlosem Himmel. Um Mitternacht haben wir bereits 72 Meilen hinter uns und schon die dritte dichte Schiffsbegegnung.

Fahrt in die Nacht, eine von Acht!

Der zweite Tag beginnt mit düsterem Wetter und 30 Knoten Wind! Ein Reff im Segel sorgt prompt für eine deutlich ruhigere „Straßenlage“. Doch Anett quält sich erstmals mit der Seekrankheit herum, die sie anfangs nicht richtig wahrhaben will. Nach dem Motto „Das kann doch gar nicht sein…“!

Anett hält´s im Liegen oft am besten aus

Gegen Mittag dann ein Mix aus Winddrehern, Beinahe-Flauten und dann wieder Squalls mit Starkwind, noch stärker als zuvor. Zum dramatischen Sonnenuntergang bekommen wir Besuch von einem (entenartigen) Seevogel, der sich auf dem Bordkran niederlässt und possierlich und gar nicht scheu seine Federn putzt. Motor und/oder Generator laufen jeweils fast zwei Stunden täglich, um die Schwerarbeit des Autopiloten auszugleichen. Mit der Dämmerung verkleinern wir die Segelfläche nochmals, um eine halbwegs ruhige Nacht zu bekommen. Die Schaukelei ist trotzdem mehr als unschön und  bringt unsere Bettstatt mächtig durcheinander.

Oft mehr Wind als uns lieb ist …

Am nächsten Morgen ist unser blinder Passagier immer noch da und ein zweiter dazu, der jedoch schon das Zeitliche gesegnet hat: ein fliegender Fisch mitten im Cockpit. Kurzerhand schnappe ich mir das Kerlchen und biete es unserem Passagier als Leckerbissen an. Und der greift sogleich keck zu und entschwindet in die Lüfte…., nicht ohne enorme „Hinterlassenschaften“

Ansonsten fängt derTag nicht gut an und die Nacht steckt noch mächtig in den Gliedern. Wir lassen das Reff erst mal drin bis sich das Wetter merklich bessert. Ein Funkanruf mit dem Frachter HARUKA bestätigt, dass die Wetterlage stabiler werden soll: „Nothing to worry about…“! Das beruhigt, denn unser Iridium-Sateliten-Telefon funktioniert wieder nicht: ein großes Ärgernis, zumal wir viel Geld dafür ausgegeben haben, um Wetterberichte zu empfangen und Kontakt zur Außenwelt zu halten…!  

Der Wind bläst jetzt tatsächlich viel konstanter mit etwa 20 Knoten aus Ostsüdost und schiebt uns mit etwa 5,5 bis 6 Knoten voran: zur Abwechslung ein heiterer, ruhiger Tag mit mehreren weiteren Schiffsbegegnungen. Das Wetter ist prächtig und beschert uns einen herrlichen Sonnenuntergang. Über 300 Seemeilen liegen bereits hinter uns und zum Abendessen (mit Süßkartoffel und Möhren) kommt Anett wieder langsam auf die Beine…

Anett ist wieder auf den Beinen!

Doch die nächste Nacht wird wieder ruppig. Mehrere Squalls sorgen für fetzigen Wind bis 35 Knoten und eine kurze Wellenfolge mit drei Metern Höhe von der Seite: sehr ungemütlich! Am Nachmittag dann aber wieder herrliches Wetter mir rasch abnehmendem Seegang und dem Riesentanker SEA PEARL auf Gegenkurs. Vor der untergehenden Sonne passiert der Tanker in nur zwei Meilen Abstand. 

In der Nacht beruhigt sich die See endgültig und beschert uns  feinstes Segeln unter sternenklarem Himmel und ein Kometen-Feuerwerk als Zugabe!. Doch am Morgen schon wieder Unruhe, als mehrere finstere Squalls dramatisch dicht uns vorbeiziehen. Wir stehen jetzt dicht vor Haiti und ab 08:00 Uhr ist die Insel mit hohen, kargen Bergen auf einmal gut zu sehen, begleitet von mächtig stinkender Luft und viel Plastik-Müll im vorbei treibenden Seegras. Nur noch 30 Meilen bis zum Ansteuerungspunkt Navassa-Island, die wir bei totaler Flaute unter Maschine zurücklegen und um 16:00 Uhr in 3 Meilen Abstand passieren: eine schroffe, ganz und gar unkaribische Insel mit Leuchtturm und drei Häusern drauf.

Anett ist nun wieder auf dem Damm und kann einen perfekten  Sonnenuntergang genießen, um 17:36 Uhr. Heute fällt er eine Stunde früher aus, da wir in eine neue Zeitzone hinein segeln, immer schön nordwestwärts. Leider wird die herrliche Abendstimmung vom anhaltenden Motorenlärm getrübt, trotz bewusst langsamer Marschfahrt mit 1700 U/min. Nachts sind  wir im Dreieck zwischen den Inseln Haiti, Jamaica und Cuba und der Wind verhält sich wie vorher gesagt, glänzt nämlich durch Abwesenheit – bis 05:25 Uhr, als Anett eine mysteriöse Nebelwand hinter uns entdeckt. Ob da wohl wieder (amerikanisches) Militär hinter steckt? Immerhin sind wir nicht weit von der amerikanischen Militärbasis Guantanamo entfernt.

Als der sechste Tag beginnt, befinden wir uns noch etwa 80 Seemeilen südlich von Kuba. Leichter Wind kommt auf, der sich bald zu einer frischen, konstanten Brise aus Nordost entwickelt und herrliches Segeln unter perfekten Bedingungen beschert, begleitet von minimalem Seegang. Den ganzen Vormittag über lauern wir auf Landsicht, aber bis zum Nachmittag ist nichts zu sehen. Unter Deck ist es derweil heiß (33°C) und stickig, während es im Cockpit angenehme 28 Grad hat. Derweil segelt Annamera wie auf Schienen durch den Jamaica-Graben, doch gähnende Leere auf dem Wasser um uns herum und auch auf dem Plotter kein Schiff zu sehen! Dann, am späten Nachmittag kommt Kuba endlich in Sicht und zwar das flache Cabo Cruz, in einer Peilung von 345 Grad, aber über 40 Seemeilen entfernt. Bis auf einen mehrstündigen Generator-Lauf eine ruhige Nacht….

Um 04:00 Uhr passieren wir Cabo Cruz in genau 12 Seemeilen Abstand und halten uns damit exakt raus aus den kubanischen Hoheitsgewässern. Der Wind wird wieder schwächer und wir machen nur noch drei bis vier Knoten Fahrt. Kein einziges Schiff in Sicht, genauso wenig wie die Küste Kubas. In 30 Seemeilen Abstand bummeln wir entlang der vorgelagerten Inselkette nach Nordwesten, mit vergeblichen Fischfang-Versuch, aber groß angelegten Aufräum- und Organisationsaktionen unseres Proviant-Lagers. Schließlich sollen die kubanischen Beamten bei der zu erwartenden Schiffsinspektion keinen Grund zu Beanstandungen haben.

Bei minimalem Seegang und bis auf Zero abflauenden Wind muss dann wieder der Diesel ran und zwar gleich für volle 24 Stunden. Zu guter Letzt erwischt uns auf den letzten 20 Seemeilen auch noch schlechtes Wetter mit einem der unbeliebten Norder, die Annamera in den kurzen, steilen Wellen heftig arbeiten lassen. Im Morgengrauen des achten Tages nähern wir uns daher nur langsam dem Leuchtturm vor der Hafeneinfahrt von Cienfuegos, das super-geschützt in einer großen „Taschen“-Bucht liegt. Mehrere Funkversuche zur Coast Guard bleiben unbeantwortet, in denen wir unsere Ankunft ankündigen. Doch wir sind uns sicher, dass die Passage und Annäherung Annameras genau verfolgt wird! 

Nachdem wir den Leuchtturm passiert haben, schlängeln wir uns in mehreren Windungen durch das Fahrwasser. Sechs Seemeilen bei Müdigkeit und langsamer Motorfahrt ziehen sich in die Länge. Es ist 11:00 Uhr als wir unseren Schiffsnamen über die Funkanlage hören, mit Anweisungen wie und wo wir anlegen sollen. Zu unserer Überraschung spricht uns auch Mareike an, die uns seinerzeit abgeraten hat, nach Santiago de Cuba zu fahren. Nun ist sie mit ihrem Kat MOANA selber kürzlich eingetroffen: lustig!

Für uns liegen (mit einigen Schnörkeln) fast exakt 1000 Seemeilen im Kielwasser, die unterschiedlicher hätten kaum sein können. Wir waren 8 Tage unterwegs und sind 1000 Kilometer weiter nördlich gelandet, in einem winterlich-karibischen Klima, das sich nicht von Südflorida unterscheidet und wo die Tage angenehm warm sind und die Nächte beinahe schon etwas kühl: gut zum Schlafen und eine Erlösung nach der Hitze, auch der nächtlichen, von Bonaire. Kurz gefasst: das optimale Klima, so jedenfalls unser erster Eindruck und das exakt zum Winteranfang!

Zurück zum Anlegen: Die Orientierung ist einfach. Im Fahrwasser verbleibend halten wir uns auf die Masten der Yachten zu und schon sind wir in Sichtweite der winkenden Menschen am „Rezeptionspier“ Der Starkwind ist wie weggeblasen und das Anlegemanöver eine leichte Nummer. Drei „Men in Black“ nehmen die Leinen entgegen und bitten an Bord kommen zu dürfen: der Dockmaster, Immigration-Officer und der Arzt. Wir werden sehr freundlich Willkommen geheißen. Dann wird erst einmal Fieber gemessen und diverse Papiere ausgefüllt, aber keine Schiffsinspektion vorgenommen. Dabei haben wir extra drauf geachtet, nach der Ankunft keine Frischwaren mehr an Bord zu haben, ein Fehler, wie sich später heraus stellen sollte.

Nachdem die Papiere ausgefüllt und Formalitäten erledigt sind, kommt eine Ärztin und macht den PCR.-Test. Bis zum Ergebnis dürfen wir die Marina nicht verlassen und harren aus in Geduld. Vorne am Pier liegend haben wir eine weite Aussicht, das Wetter ist perfekt und Mareike liegt mit ihrem Kat gleich nebenan, so dass ein Klönsnack immer möglich ist. Das Ambiente wird von den kleinen Marinagebäuden, Dutzenden Charter-Kats und einem pompösen Belle-Epoque-Gebäude geprägt, aus dem nachmittags laute Discotöne rüber schallen.

Die Marina von Cienfuegos

Nachdem die kubanische Gastland-Flagge gehisst ist, bleibt uns – wenige Tage vor Weihnachten – nur die Devise : Auf das Testergebnis warten und Kaffee trinken. Wir sind sehr auf das zum Welterbe gehörende Cienfuegos gespannt, das in gut fußläufiger Entfernung über den „Malecon“ zu erreichen ist. Davon mehr im nächsten Bericht.