Von den Azoren über Madeira nach Porto Santo

Es ist Anfang September und wir haben nun drei volle Monate auf den Azoren verbracht. Wir liegen in der Marina von Santa Maria und erleben, wie sich das Wetter in den letzten Tagen zunehmend verschlechtert: ein Wink des Himmels für eine baldige Abreise. 

Unser nächstes Ziel ist Madeira, das genau 500 Seemeilen entfernt liegt. Wir sind früh aufgestanden und als wir die Leinen loswerfen ist es noch dunkel. Bevor wir endgültig Kurs auf Madeira nehmen, wollen wir allerdings noch einen Abstecher zu den Ihlas Formigas machen, ein paar verstreute kleinen Felsen mit einem Leuchtturm drauf und ein Umweg von 30 Seemeilen. Es soll dort tolle Tauchgründe mit vielen Großfischen geben, die der Käpt´n sich nicht entgehen lassen will. Bei schönstem Wetter und spiegelglattem Wasser halten wir unter Motor auf die Inselgruppe zu. Doch als wir mittags dort ankommen, hat sich das Wetter verschlechtert und bei stark aufgefrischtem Wind kommt Ankern nicht in Frage. Statt dessen versucht sich der Käpt´n an zwei Schnupper-Tauchgängen vom treibendem Schiff aus. Doch von Fischen keine Spur: nur ein paar kleine, auch beim zweiten Versuch an der Dollabarata-Bank. Es sieht unter Wasser zwar interessant aus, aber man kann Fische man eben nicht „auf Bestellung“ sehen…!

Der anschließende Törn nach Madeira wird nicht als Segel-Highlight in die Törn-Historie der Annamera eingehen. 40 Motorstunden und ein Segelanteil von 65 Prozent sind nicht das, was wir uns erhofft haben und was der Wetterbericht „in Aussicht“ gestellt hat.

Vier Tage mit sehr wechselhaften, oft drehenden Winden und düsteres Wetter sind nicht der Stoff aus dem Segelträume gemacht sind. Wir erleben drei stockdunkle, grässliche Nächte in Folge mit Regenschauern und Flauten, aber auch stürmisch auffrischenden Winden, die uns zu ständigen Reff-Manövern zwingen. Das ganze beiunangenehmer Holperei und großer Schräglage, bei der sogar Geschirr zu Bruch geht. Das ist Segeln zum Abgewöhnen, jedenfalls für die Zweiercrew, die von Tag zu Tag mit zunehmendem Schlafmangel zu kämpfen hat und die ganze Zeit nicht aus ihren Segelklamotten raus kommt, nicht mal in der Koje. 

Gut, dass die die vierte und letzte Nacht wenigstens zur Abwechslung angenehmes Segeln bringt und ein versöhnliches Ende, als wir elegant vor der spektakulären Felsenküste im Nordosten von Madeira entlang segeln, vor dem Wind und ohne Welle.

Eigentlich wollen wir im Schutz der Felsenküste bei Punta d´Abra ankern, aber heftige Fallböen lassen uns umdenken und die nahe Marina von Quinta do Lorde aufsuchen. Nach genau 4 1/2 Tagen betreten wir erstmals wieder Land. Fast zeitgleich mit uns wird eine Rekordschwimmerin in der Marina jubelnd in Empfang genommen. Die Frau hat es geschafft, die Strecke von 40 Kilometern von der Nachbarinsel Porto Santo bis zum Leuchtturm Madeira Ost in weniger als 12 Stunden zu durchschwimmen. Alle Achtung!

Wir sind das zweite Mal in der Marina und fühlen wir uns gleich gut aufgehoben. Wir waren schon im Vorjahr auf Madeira und sind gespannt, wie wir die Insel diesmal erleben. 

Zunächst fällt auf, dass es wesentlich trockener ist und auch deutlich voller, denn es ist offensichtlich noch Hochsaison. Mit dem Mietwagen erkunden wir vorzugsweise die entfernten Winkel der Insel, die wir noch nicht kennen. Es ist wunderschön, aber durch die Trockenheit ist das Naturerlebnis ein bisschen getrübt und die viel beschworenen Blumen sind nicht so üppig wie im Vorjahr. Es sind neue Tunnelstrecken im Betrieb und wir fahren im äußeren Südwesten mehr unter Tage als darüber: ein zweifelhaftes Vergnügen, insbesondere da die alten Straßen mehrfach still gelegt, bzw. als Sackgasse enden.

In Monte erleben wir diesmal auch die Korbschlitten-Abfahrten, die in halsbrecherischem Tempo die steilen Straßen runter rasen, wobei der Autoverkehr erst im letzten Moment gestoppt wird. Bei einem abendlichen Bummel durch Funchals Kneipenviertel am Fortaleza de Sao Tiago lernen wir Funchals Ankerplatz kennen und erwägen ernsthaft, dorthin umzuziehen, denn durch das stattliche Liegeplatz von 45 Euro pro Tag und Mietwagen sind die Kosten über unser Budget hinaus geschnellt. Da erscheint der Ankerplatz direkt vor der Festung eine gute Alternative zu sein, allerdings nur bei ruhigem Wetter. Pech für uns, dass ein hässliches Tiefdruckgebiet uns einen Strich durch die Rechnung macht…

Aber es gibt noch eine zweite Alternative, und zwar die Insel Porto Santo, 30 Seemeilen von Madeira entfernt. Dort wollen wir auf ein gutes Wetterfenster für die Weiterfahrt warten. Am Mittag des fünften Tages auf Madeira werfen wir die Leinen in Quinta do Lorde los und motoren- bei kräftigem Gegenwind – rüber zu dem knochentrockenen Eiland, das wir ebenfalls im Vorjahr schon kennen gelernt haben. Wir haben telefonisch beim Hafenamt einen Liegeplatz reserviert und vereinbart, uns per Funk kurz vor Ankunft zu melden. Doch die verzögert sich, durch zunehmenden Gegenwind. Aber die späte Ankunft ist insofern kein Problem, weil zwei gute Ankerplätz zur Verfügung stehen: einer direkt im Hafenbecken und der zweite direkt davor, vor dem Kilometer langen Sandstarnd, für den die Insel berühmt ist.

Nach einer ruhigen Nacht am Anker ziehen um in die Marina, ganz außen liegend und den heftigen Fallböen voll ausgesetzt. Als sich wenig später auch noch ein größeres Stahlschiff neben uns längsseits festmachen will, sind wir nicht begeistert. Aber die neuen (deutschen) Nachbarn sind nett und borgen uns einen ihrer großen Kugelfender, so dass unsere eigenen Fender etwas entlastet sind ….

Die Marina ist klein und hat eine merkwürdige Preispolitik. Die ersten Nächte sind fast so teuer wie Quinta do Lorde (40 Euro), aber der Monatsliegeplatz kostet nur 131 Euro. Da lohnt sich ein längeres Liegen und da am Wochenende das Festival-Highlight des Jahres stattfindet, werden wir unseren Aufenthalt einfach etwas ausdehnen … Ein Wermutstropfen ist aller der ziemlich hohe Geräuschpegel des direkt am Hafen liegenden Elektrizitätswerks.

Das dreitägige Festival do Colombo entpuppt sich als Mega-Event, perfekt organisiert und unter Beteiligung der Bevölkerung und des original getreuen Nachbaus der Santa Maria. Bei bestem Vollmond-Wetter erleben wir am Superstrand die Anlandung von Kolumbus, der ein paar Jahre auf Porto Santo gelebt und hier seine Frau geheirat hat. Alle Beteiligten stecken in sehr authentisch anmutenden mittelalterlichen Kostümen und präsentieren ein Schauspiel in mehreren Akten, begleitet von entsprechender Musik und artistischen Kunststücken. Wir sind begeistert und können uns gar nicht satt sehen an dem Spektakel. 

Da wir beim Poncha, dem lokalen Gin-Frucht-Punsch, auch noch unsere Nachbarn von der MABETICA und andere Segler kennenlernen, sind wir rundum zufrieden mit unserer Standortwahl Porto Santo. Die gerade mal 10 Kilometer lange Insel gefällt uns mit jedem Tag besser. Mit dem Fahrrad erkunden wir fast jede Straße und der goldgelbe Strand ist einfach eine Sensation. Auf einer kleinen Vulkaninsel hat eine Laune der Natur ein Paradies geschaffen, das Madeira nicht zu bieten hat. Abgesehen von den groben Kieselstränden und zahlreichen Natur-Pools gibt es dort unseres Wissens nach nämlich überhaupt keinen Sandstrand.

Am Ende kommen wir auf acht Hafentage in Porto Santo. Wir verlassen ihn schließlich mit Ziel Lanzarote, aber nicht ohne zuvor noch ein Wandbild anzufertigen, diesmal aber deutlich einfacher und nur in Schwarz und Weiß gehalten ….